20 Jahre LL.M. Programm Informationsrecht und Rechtsinformation/Informations- und Medienrecht


Ein Rückblick in die Anfänge der universitären Lehre im Bereich "Rechtsinformatik"

Im Zuge des zunehmenden Einsatzes von Computertechnologien, stellten sich bald schon nach "Erfindung" des Computers auch rechtliche Fragen und man erkannte, dass die juristische Ausbildung darauf Bezug nehmen muss. An der Universität Linz hielt etwa Ota Weinberger schon im Jahr 1970 eine erste Lehrveranstaltung mit dem Titel "Rechtslogik und Rechtsinformatik" ab, an der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät waren es Werner Robert Svoboda und Leo Reisinger, die erste Vorlesungen zur Rechtsinformatik anboten. Reisinger gab 1971 Anstöße, ob nicht im Rahmen der juristischen Studienordnung zu prüfen sei, "post-graduate-studies" oder Wahlfächer für die Ausbildung in Rechtsinformatik einzurichten.

Hochschul- bzw. Universitätslehrgänge

An den österreichischen Universitäten wurden, in Folge, in den 1980er Jahren erste Hochschullehrgänge im Bereich des Informationsrechts bzw. der Rechtsinformation eingerichtet. An der Universität Graz wurde 1987/88 von Alfred Schramm ein Hochschullehrgang begründet, die Universität Salzburg folgte 1989.

Seit 1996 unternahm die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien verstärkte Anstrengungen, die Studierenden besser auf die beruflichen Anforderungen im Bereich der Informationstechnologie vorzubereiten. Sichtbare Zeichen waren die Plattform "Juridicum Online", der EDV-Raum des Juridicums und die Homepage der rechtswissenschaftlichen Fakultät. Auch die juristische Ausbildung sollte durch neue Fächer ergänzt werden. Beklagt wurde, dass die Beschäftigung mit PCs, mit Offline- und Onlinedatenbanken und mit dem Internet im damaligen österreichischen Rechtsstudium weder verlangt noch gefördert werde. In einer Umfeldanalyse für den zu gründenden Universitätslehrgang wurde angemerkt, dass viele der neuen Rechtsprobleme aufgrund der ihnen zugrundeliegenden Technologien neuartig und mit traditionellen juristischen Methoden nur schwer zu erfassen sind. "Im besseren Fall müssen manchmal jahrhundertealte Rechtsvorschriften auf derartige Fragestellungen angewandt werden, im schlechteren Fall sind schlicht keine Normtexte vorhanden."[1]

1999: Gründung des Universitätslehrgangs für Informations- und Rechtsinformation

Nach etwa zweijähriger Vorbereitungszeit durch den damaligen EDV-Beauftragen der rechtswissenschaftlichen Fakultät, Nikolaus Forgó, und Martin Witzmann wurde 1999 der Universitätslehrgang für Informations- und Rechtsinformation eingerichtet, der die Fachbereiche "Grundlagen", "Technik", "Klassisches Informationswesen" und "Recht" abdeckte. Die Gesamtstundenanzahl für den auf ein Jahr konzipierten Lehrgang lag damals bei 930 Unterrichtseinheiten, die von etwa 70 Lehrenden aus Wissenschaft und Praxis geleistet wurde. Ideell und materiell wurde der Universitätslehrgang vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte, von der RDB, von Manz und Orac unterstützt, an der Gründung wesentlich beteiligt waren der damalige Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät, Peter Pieler, weiters Kristin Hanusch-Linser, Helmut Hanusch, Hannes Tretter, Thomas Höhne und Lucas Schneider-Manns-Au, die ihr Know-How und ihr Engagement ehrenamtlich zur Verfügung stellten.

Relaunch ab 2012

Der seit 1999 bestehende Universitätslehrgang für Informationsrecht und Rechtsinformation wurde unter der wissenschaftlichen Leitung von Nikolaus Forgó 2011/2012 einem Relaunch unterzogen und neu strukturiert. Das Curriculum wurde zeitgemäß adaptiert und der Universitätslehrgang wird nun unter dem Namen Masterprogramm "Informationsrecht und Medienrecht" seit Oktober 2012 weiter angeboten. Das LL.M. Programm bietet Juristinnen und Juristen die Möglichkeit, sich am Schnittpunkt von IT, Medien, Wirtschaft und Recht zu spezialisieren. Das Masterprogramm ist auf die Bedürfnisse Berufstätiger ausgerichtet – die Lehrveranstaltungen werden auf Wochenendblöcke und einige Intensivwochen konzentriert.

Seit 1999 haben 336 Studierende am Weiterbildungsprogramm teilgenommen und als sichtbaren Ausdruck ihrer Qualifikation den Titel "LL.M." erworben.Von den 336 Studierenden waren 35 Prozent (120) weiblich, seit dem Relaunch 2012 ist das Geschlechterverhältnis ausgewogen und liegt bei 50:50.

20 Jahre – und die Relevanz bleibt!

Das Weiterbildungsprogramm feiert 2019 sein 20-jähriges Bestehen. Aus diesem Grund laden wir am 20. September 2019 zu einer Veranstaltung im Dachgeschoß des Juridicums, die neben der Vernetzung der Absolventinnen und Absolventen auch eine inhaltliche Zielsetzung mit einer Podiumsdiskussion verfolgen wird. Diese Podiumsdiskussion wurde bereits vor ca. 20 Jahren erstmals gehalten und die damaligen Referent*innen wurden eingeladen, ihr damaliges Thema kritisch zu reflektieren und unter der heutigen Situation zu reflektieren. Vielleicht schon eines vorweg: Sprach man noch vom Infohighway, vom gläsernen Menschen und vom Cyberspace, ist nun von Big Data und der Cloud die Rede. Die damals identifizierten Probleme sind jedoch nach wie vor erstaunlich aktuell. Für den wissenschaftlichen Leiter Nikolaus Forgó ist es zentral, dass die Absolventinnen und Absolventen diese Entwicklungen (und ihr Fehlen) nicht nur nachvollziehen, sondern auch verstehen können, wie sie sich rechtlich (nicht) steuern lassen.

Die Relevanz der mit der zunehmenden Technisierung verbundenen Fragestellungen wurde auch durch die Neugründung von wissenschaftlichen Institutionen an der Universität Wien unterstrichen: 2017 wurde an der rechtswissenschaftlichen Fakultät ein neues Institut etabliert: das Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht; die Universität Wien hat sich einen Digitalisierungsschwerpunkt gesetzt und 2019 ein neues Vizerektorat für Digitalisierung eingerichtet.

Und die Digitalisierung ist auch im Zentrum unserer außeruniversitären Lebenswelten angelangt. Jede Autowerkstatt, jede*r Arzthelfer*in, jede Schulleitung und jeder Elternverein ersucht beim Erstkontakt sofort um ein unterschriebenes Formular zwecks Einverständniserklärung in die Datenverarbeitung.  Die Datenschutzgrundverordnung, aber auch die Urheberrechtsnovelle oder die E-Privacy-Verordnung sind in aller Munde. Die Themenfelder werden größer und prominenter, die Rechtsdurchsetzung für die Einzelnen kann sich äußerst diffizil gestalten, die globalen Unternehmen aus dem Bereich der Social Media nehmen vermehrt Aufgaben der Rechtssetzung und auch der Entscheidungsfindung wahr.

Es ist deshalb dank Digitalisierung auch in den nächsten 20 Jahren noch viel zu tun; nicht nur, aber auch für Juristinnen und Juristen.


[1] Nikolaus Forgó und Martin Witzmann, Lehrgang für Informationsrecht und Rechtsinformation. Eine Studie zu Bedingungen und Möglichkeiten einer postgradualen Ausbildung an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Wien 1998) S. 13